Nach einer Phase der Stille zu digitalpolitischen Themen hat FemAI nach der Sommerpause am 17. September 2024 an einer Transferwerkstatt im Rahmen des Projekts „Digitales Deutschland" zum Thema feministische Digitalpolitik im Rahmen des Strategieprozesses des BMFSFJ beraten. Die Erkentnisse wollen wir im Rahmen dieses Blogartikels mit unserem Netzwerk teilen.
Im Haus der Poesie in Berlin haben Stakeholder*innen aus Politik, Wissenschaft und Praxis ihre Perspektive auf die inhaltliche Ausgestaltung der im Koalitionsvertrag verankerten feministischen Digitalpolitik der Ampelkoalition dargelegt.
Nach der offizielle Begrüßung von Janett Bölsing (BMFSFJ), Impulse von Silke Kölling (BMFSFJ): Auf dem Weg zu einer feministischen Digitalpolitik (AT) sowie einem Vortrag der Bedarfe und Ansatzpunkte aus der Forschung (Dagmar Hoffmann/Niels Brüggen), hat FemAI Einblicke in die geschlechterreflektierte Bildungspraxis gegeben. Dabei haben wir die folgenden Fragen beantwortet:
Welche methodischen und inhaltlichen Ansätze haben sich bewährt und sollten ausgeweitet werden?
Wo erleben wir in der Arbeit Herausforderungen? Wo stoßen wir an Grenzen?
Welche Rahmenbedingungen sind für unsere Arbeit förderlich? Wie können diese (mit-)gestaltet werden?
Hintergrund zum Projekt Transferwerkstatt im Rahmen des Projektes "Digitales Deutschland" und die Rolle feministischer Digitalpolitik
Die digitale Transformation beeinflusst alle Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens und schafft sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Um sicherzustellen, dass die Digitalisierung inklusiv und gerecht verläuft, ist es entscheidend, wie die digitale Teilhabe gestaltet wird. Ein zentrales Projekt in diesem Zusammenhang ist „Digitales Deutschland“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), das sich mit der Förderung der digitalen Souveränität auf gemeinwohlorientierter Basis beschäftigt. Ziel ist es, eine inklusive und geschlechtergerechte digitale Zukunft zu schaffen.
Transferwerkstatt im Rahmen des Projekts „Digitales Deutschland
Im Rahmen dieses Vorhabens wurde die Transferwerkstatt ins Leben gerufen. Diese Veranstaltung ist Teil des Forschungsprojekts „Digitales Deutschland | Monitoring der Digitalkompetenz der Bevölkerung“, das sich wissenschaftlich mit den digitalen Fähigkeiten der Bevölkerung auseinandersetzt. Hier geht es nicht nur um technologische Aspekte, sondern auch um Fragen der digitalen Chancengleichheit und die Möglichkeiten, wie alle gesellschaftlichen Gruppen von der Digitalisierung profitieren können. Das Projekt, das von Institutionen wie dem JFF – Institut für Medienpädagogik, der Universität Siegen und der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg getragen wird, verfolgt das Ziel, eine gerechte und partizipative Digitalisierung zu fördern.
Feministische Digitalpolitik: Warum sie wichtig ist
Ein zentrales Thema im Kontext der digitalen Transformation ist die Frage der Machtverhältnisse und Ungleichheiten. Die Bundesregierung hat im Rahmen der Digitalstrategie beschlossen, sich verstärkt mit der feministischen Digitalpolitik auseinanderzusetzen. Diese Perspektive ist von grundlegender Bedeutung, um die Risiken und Gefahren der Digitalisierung zu verstehen und ihnen effektiv begegnen zu können. Die feministische Digitalpolitik beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, wie technologische Entwicklungen bestehende Ungleichheiten – etwa im Hinblick auf Geschlechterverhältnisse – weiter verstärken können, wenn sie nicht aktiv gestaltet werden.
Im Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung wurde deutlich, dass eine nicht gestaltete Digitalisierung bestehende Machtstrukturen zementieren kann. Feministische Digitalpolitik hingegen setzt sich mit den Diskriminierungspotenzialen neuer Technologien auseinander. Hierbei geht es um den Schutz von Freiheits- und Persönlichkeitsrechten, der Privatsphäre und der Selbstbestimmung – Themen, die in einer immer stärker digitalisierten Welt zentrale Bedeutung erlangen.
Maßnahmen und Initiativen: Ein Schritt in die richtige Richtung, aber nicht genug.
Die Bundesregierung hat bereits Initiativen gestartet, um mehr Frauen in technische Berufe zu bringen. Programme wie der „Girls' Day“ oder „You-CodeGirls“ zielen darauf ab, Geschlechterstereotype in der Berufsorientierung aufzubrechen. Zudem unterstützt die Regierung den „Pakt für Frauen in MINT-Berufen“ (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik), um den Anteil von Frauen in diesen Bereichen zu erhöhen.
Doch es wird deutlich, dass diese Maßnahmen allein nicht ausreichen, um die strukturellen Ungleichheiten in der Digitalwirtschaft grundlegend zu verändern.
Herausforderungen einer feministischen Digitalpolitik
Eine der größten Herausforderungen der feministischen Digitalpolitik besteht darin, das Thema über die reine Repräsentation hinaus anzugehen. Es reicht nicht, lediglich den Anteil von Frauen in technischen Berufen zu steigern. Vielmehr geht es darum, die Machtstrukturen, die technologische Entwicklungen beeinflussen, kritisch zu hinterfragen und zu verändern. Dies betrifft auch die Frage nach der gerechten Verteilung von Ressourcen und den Bedingungen, unter denen digitale Technologien entstehen.
So zeigt sich beispielsweise, dass die Rohstoffe, die für die Produktion digitaler Technologien benötigt werden, häufig aus Konfliktgebieten stammen und unter menschenrechtswidrigen Bedingungen abgebaut werden. Eine feministische Perspektive fordert, dass diese Probleme in den Fokus der Technologieentwicklung gerückt werden. Zudem wird immer wieder betont, dass auch der Mensch als Ressource in der Technologieentwicklung berücksichtigt werden muss, wie zum Beispiel im Rahmen der Content Moderation. Diese komplexen Zusammenhänge werden bislang zu wenig in den Ansätzen der feministischen Digitalpolitik des BMBSJ thematisiert.
FemAI's Einblicke in die geschlechterreflektierte Bildungspraxis gegeben
Um unsere Erkentnisse aus 18 Monaten AI Literacy Arbeit mit der Zivilbevölkerung und Expert*innen aus den Bereichen KI-Ethik, KI Gesetzgebung, Produktentwicklung zu teilen, wenden wir unser Forschungsframework zur Identifizierung von patriarchalen Strukturen in KI an:
Welche methodischen und inhaltlichen Ansätze haben sich bewährt und sollten ausgeweitet werden?
Data & Design: Transparenz, Deutschsprachige Angebote, Mitgestaltungsangebote
People: Bildungsprogramme individuell auf die Bedürfnisse von marginalisierten Zielgruppen
Context: Vertrauen in KI schaffen durch öffentliche Sektor Investitionen und robuste Lösungen
Wo erleben wir in der Arbeit Herausforderungen? Wo stoßen wir an Grenzen?
Data & Design: Fehlende Gesetzliche Grundlagen
People: Stark unterschiedliches Bildungsniveau bezüglich Technologien und insbesondere im Bereich von KI
Context: Komplexität und Zeitaufwand
Welche Rahmenbedingungen sind für unsere Arbeit förderlich? Wie können diese (mit-)gestaltet werden?
Data & Design: Design Thinking, Feminist Prototyping
People: Integration von diversen Perspektiven z.B. mit Forschungsmethoden wie der "Future-oriented Delphi Studies"
Context: One size does not fit all, Probleme soweit es geht isolieren!
Nächste Schritte: Entwicklung einer geschlechtergerechten Digitalpolitik - nur mit welchen Mitteln?
Um eine gerechte und nachhaltige Digitalpolitik zu entwickeln, sind weitere Schritte notwendig, die über die Erstellung von Strategien hinausgehen. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist dabei die Auseinandersetzung mit dem „Digital Gender Gap“. Die Bundesregierung plant daher, gezielt Handlungsempfehlungen zu entwickeln, die auf eine geschlechtergerechte Gestaltung der Digitalisierung abzielen. D
Ein weiterer Fokus liegt auf der Auseinandersetzung mit Künstlicher Intelligenz (KI) als Schwerpunkt Thema feministischer Digitalpolitik. Die Entwicklung eines Positionspapiers zur feministischen Digitalpolitik mit Schwerpunkt auf KI ist ein wichtiger nächster Schritt. Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, bestehende Ungleichheiten zu verstärken, wenn sie nicht aktiv gesteuert wird.
Daher ist es essenziell, geschlechterreflektierte Ansätze in der KI-Entwicklung zu etablieren, um sicherzustellen, dass diese Technologien alle Menschen gleichermaßen einbeziehen und fördern. Besonders an dieser Stelle ist die intersektionalität der Thematik unabdingbar.
Fraglich ist, wie holistische Ansätze wie der einer feministischen Digitalpolitik umgesetzt werden können ohne entsprechende Haushaltmittel. Nach wie vor ist im Bundestagshaushalt kein dezidiertes Budget für die feministische Digitalpolitik vorgesehen.
Fazit: Die Zukunft der Digitalpolitik ist inklusiv und gerecht, davon sind wir allerdings noch weit entfernt!
Die digitale Transformation bietet immense Chancen, birgt aber auch erhebliche Risiken. Eine feministische Digitalpolitik, die Ungleichheiten abbaut und alle gesellschaftlichen Gruppen gleichermaßen einbezieht, ist der Schlüssel zu einer gerechten digitalen Zukunft. Initiativen wie „Digitales Deutschland“ und die Transferwerkstatt zeigen, dass bereits wichtige Schritte in diese Richtung unternommen werden.
Es bleibt jedoch viel zu tun, um die Digitalisierung so zu gestalten, dass sie im Sinne des Gemeinwohls und der Chancengleichheit für alle wirkt.
Die digitale Transformation ist kein neutraler Prozess – sie muss aktiv gestaltet werden, um soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung zu gewährleisten. Eine feministische Perspektive hilft dabei, die strukturellen Herausforderungen zu erkennen und ihnen mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen. Denn nur so kann die Digitalisierung zu einem Gewinn für alle werden.
Wir freuen und bedanken uns über die Zusammenarbeit mit dem BMFSFJ und dem JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis.g und Praxis
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